Kinder kommen heute immer früher mit Pornos in Berührung. Für Eltern ist wichtig, über diese Inhalte aufzuklären, sagen Experten - und geben Tipps, wie das geht.
ARTIKEL VON SANDRA LIERMANNPornografie - was früher bloß in "Schmuddelkinos" oder der hintersten Ecke der Videothek verfügbar war, ist heute nur einen Klick entfernt. Ein paar Fakten vorneweg:
- 40 Prozent der deutschen Kinder suchen online nach pornografischen Inhalten.
- Durchschnittlich sind Kinder elf Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal pornografische Bilder oder Filme konsumieren.
- Beim Erstkontakt mit harter Internet-Pornografie sind Kinder im Schnitt 12,7 Jahre alt.
- Bei Mädchen ist der Erstkontakt zu pornografischen Inhalten in 60 Prozent der Fälle ungewollt, bei Jungen zu 37 Prozent.
- Mehr als die Hälfte der Kinder sprechen nach dem Erstkontakt mit niemandem darüber, nur vier Prozent diskutieren den Vorfall mit Lehrern oder Eltern.
Die Augsburger Sexualtherapeutin Birgit Andree weiß: "Durch die mediale Präsenz entkommen Kinder in der heutigen Zeit Pornografie nicht mehr." Durchschnittlich im Alter zwischen 15 und 17 Jahren hätten Jugendliche zum ersten Mal Geschlechtsverkehr. "Aber schon Jahre vorher kommen sie erstmals mit pornografischen Inhalten in Berührung."
Mit Kindern über Pornografie zu sprechen, ist oft schambehaftet
Gerade deshalb sei es für Eltern so wichtig, mit Kindern darüber zu sprechen. "Sogenannte Female-friendly-Pornos* sind zwar auf dem Vormarsch, aber bei den meisten Pornos handelt es sich weiterhin um unrealistische Darstellungen", sagt Andree. (Female friendly oder feministische Pornografie will stereotype Muster von Sexfilmen durchbrechen und wendet sich gegen ein erniedrigens Frauenbild, das in vielen Pornos bis heute reproduziert wird. Anm. d. Red.)
Ein Beispiel: Die Darstellung der Geschlechtsteile. "Jungs identifizieren sich damit, so wie viele Mädchen meinen, sie müssten so dünn sein, wie die Teilnehmerinnen von Germany's Next Topmodel", erklärt Birgit Andree.
Aufgabe der Eltern sei es, Kindern klarzumachen, dass diese Darstellungen nicht der Realität entsprechen. "Sie fühlen sich sonst unter Druck gesetzt. Jungs meinen, sie müssen performen, das ganze Repertoire beherrschen, das in Pornos gezeigt wird - inklusive teilweiser bizarrer Praktiken. Mädels meinen, sie müssen zu allem bereit sein."
Doch wie können Eltern mit ihren Kindern über Pornografie sprechen, ohne dass es peinlich für alle Beteiligten wird?
"Wie mit der kompletten Aufklärung wird es schwierig, wenn darüber noch nie gesprochen wurde", sagt Sexualtherapeutin Andree. Den einen perfekten Satz, mit dem Eltern ein Gespräch über Pornografie beginnen können, gebe es allerdings nicht. Wichtig sei, den Kindern Gesprächsangebote zu machen. "Spätestens nach der Grundschule, so mit 10 oder 11 Jahren, sobald Kinder eigene Handys haben und ins Internet kommen, gehen solche Videos herum", weiß Andree, die selber zwei Töchter hat.
"Wenn Eltern merken, da ist Getuschel und Gekicher, können sie ihren Kindern sagen 'Du, ich merke, da ist etwas, das dich beschäftigt. Komm auf mich zu, wenn du darüber sprechen möchtest'." In Familien, in denen offen über Sexualität gesprochen werde, sei so etwas einfacher, "wenn Kinder merken, dass sie Fragen stellen können und die Eltern nicht abblocken oder sich beschämt zurückziehen."
Hilfreich sei, authentisch zu sein, sagt Andree. Als Gesprächseinstieg für Eltern schlägt sie beispielsweise vor: "Für mich ist das auch ein komisches Thema, ich bin da auch nicht so locker. Lass uns gemeinsam einen Weg und Worte finden, wie wir damit umgehen können."